01
Mrz 2017
Interview mit freeskiers.net
Freeriden hat für uns viel mit Freiheit zu tun, mit der Schönheit der Berge, mit dem Wegkommen von den Menschenmassen. Auffellen, irgendwohin aufsteigen und dann diese eine Abfahrt machen, die sich den ganzen Winter über halt nur an drei Tagen fahren lässt, das ist für uns das wahre Freeriden. 10.000 Höhenmeter an einem Tag im Tiefschnee zu fahren – also mit dem Lift rauf und neben der Piste runter – hat für uns damit eigentlich recht wenig gemeinsam. Trotzdem werden wir fast ausschließlich genau dafür gebucht. Wir selber würden uns eher einen Bergführer als Guide nehmen, wenn wir ein Gebiet nicht kennen: einen Tag lang mit dem Local herumfahren und die Hänge erkunden, und anschließend dann 5 Tage lang alles selber zusammenfahren. Vielleicht ist das vielen aber einfach zu anstrengend, sie wollen auf den Liftkomfort nicht verzichten und sich auch nicht so anstrengen.
Wobei man zufriedene Kunden, die öfter buchen, dann auch wirklich dazu motivieren kann, sich weiterzuentwickeln. Mit denen fährst du das erste Mal neben der Piste, beim zweiten Mal schon kleine Treeruns, dann gehst du einmal eine kleinere Tour und wenns ihnen gefällt, möchten die meisten danach selber schon einen „richtigen“ Freeridetag abseits der Massen erleben. Das taugt uns dann schon ziemlich, wenn wir das bei jemandem erreicht haben. Klar müssen die Leute da einigermaßen gut am Ski stehen, aber das siehst eh nach zwei Schwüngen, ob einer nur quatscht. Ist uns aber auch schon passiert, dass ein Gast bei einer Skitour geredet hat wie der Oberpro, und wie wir dann oben stehen sagt er: „Du Guido, ich bin aber nicht der beste Skifahrer…“ Der konnte wirklich nicht Skifahren! War jedenfalls spannend, den heil wieder runter zu bringen.
Das ist aber auch unser Job, deswegen nimmt man sich ja einen Bergführer: man möchte heil wieder unten ankommen, am besten mit einem fetten Grinser im Gesicht, weil der Tag so ein Hammer war. Als Bergführer musst du da wirklich immer auf der sicheren Seite sein. Du darfst dich nicht mitreissen lassen und denken „geht schon“, wenn du mit guten Leuten unterwegs bist. Es waren schon Eltern bei uns, die uns für einen Tag Freeriden mit einer Gruppe Jugendlichen gebucht hatten. Da hatte es dann Lawinenwarnstufe 3 und beim Treffpunkt haben die Eltern gemeint: „Aber nur, dass Sie das wissen: drei der Väter sind Rechtsanwälte!“ Da haben wir dann auch gesagt, wir lassen das. Wir lassen uns auch nicht erpressen. Im Endeffekt sind wir mit den Jugendlichen dann halt flache und sichere Sachen gefahren. Aber passieren kann einfach immer was, 100% Sicherheit bekommst du im Gelände nie.
Wobei die Freerider in diesem Bereich ein tolles Publikum sind eigentlich. Die hören meistens sehr genau zu, was du ihnen erzählst und über den Hang sagst. Da war bei den Contests auch noch nie jemand, der gemeint hat: „Lass den Toni reden!“ Sie sind echt daran interessiert, wie der Schnee ist, wie die Landungen aussehen, warum wir was gesprengt haben usw. Auch mit den Gästen, die uns buchen, ist das so. Die kennen sich ja meistens gar nicht aus, und wenn dann sozusagen die Blinden ein bisschen sehen lernen, das macht unheimlich viel Spaß. Das taugt uns voll, wenn sie fragen anfangen, warum wir den Hang jetzt fahren und den anderen nicht, und welche Gefahrenmuster da jetzt vorherrschen. Da musst du selber auch wieder anfangen zu argumentieren und dein Wissen auspacken, echt cool. Wir versuchen, den Leuten ein bisschen was von unserem Wissen mitzugeben, damit sie in Zukunft ein bisschen mehr Verantwortung dafür übernehmen können, was sie im Gelände machen.
Wenn wir gebucht werden, dann tragen ja wir die gesamte Verantwortung. Wir übernehmen 100% davon. Deswegen erwarten wir auch, dass sich die Leute an die Verhaltensregeln halten, die wir ausgeben. Wenn wir sagen, dass auf gar keinen Fall irgendjemand über diese Markierung darf, dann hat das mit ziemlicher Sicherheit einen Grund – zum Beispiel eine Mega-Wächte, unter der es 500 m runtergeht. Es gibt aber auch Leute, denen musst du erst beweisen, dass du in der Lage bist, die Verantwortung zu übernehmen. Keine Ahnung, vielleicht schauen wir einfach zu jung aus, als dass sie uns das sofort zutrauen würden? Was wir uns außerdem von den Freeridern wünschen, ist, dass sie sich an ein paar allgemeinen Verhaltensregeln im Gelände halten: nicht in Wildschutzzonen zu fahren und nicht durch den Jungwald zu fräsen, zum Beispiel. Es ist doch genug Platz da, da muss man nicht durchfahren. Wir sehen uns Bergführer hier schon ein bisschen in der Vorbildfunktion – wir spuren diese Gebiete nicht ein, genauso wenig natürlich wie einen Hang, der uns gefährlich erscheint.
Unser Ziel ist es aber nicht nur, den Kunden die alpinen Gefahren näherzubringen und das Verhalten im Gelände zu erklären, sondern auch, ihnen einen guten Tag zu ermöglichen, damit sie mit einem fetten Grinsen im Gesicht am Abend einschlafen. Manche Bergführer fahren nur bei Traumwetter mit Gästen, wir nicht. Die Tage mit 50 cm Pulver und strahlendem Sonnenschein sind halt eher selten. Und Skifahren bedeutet auch manchmal, dass die Sichtverhältnisse nicht optimal sind oder der Schnee nicht blütenweiß und pulvrig. Aber da muss man halt versuchen, andere „Tagesziele“ zu finden. Wenns richtig batzig ist im Frühjahr passiert es schon, dass wir der Gruppe erklären, dass es im Powder ja jeder kann, im Haxenbrecherschnee ists aber eine Herausforderung. Und so schnell kannst meistens gar nicht schauen, ist die Motivation wieder da und du hast einen super Tag mit einer Truppe, die gscheid Gas gibt.
Das sind eigentlich auch unsere Wunschkunden: die sich für die Berge interessieren, und für das Wissen, was wir ihnen weitergeben versuchen. Das sind auch die Gäste, die dich immer wieder buchen, und von denen du gute Rezessionen im Internet bekommst. Denn eines ist klar: wir leben von guter Mundpropaganda. Deshalb ist es auch ziemlich leicht einen guten von einem schlechten Bergführer zu unterscheiden: geht ins Internet und lest die Bewertungen. Wenns nicht passt, dann zerlegen dich die Kunden da.
Wir sind echt viel am Berg, fast jeden Tag. Das Gebiet ist unser Homespot, wir kennen uns da wirklich gut aus. Und auch, wenn du jede Rinne, jeden Hang, jede Wächte kennst – Skifahren wird nie langweilig. Wir sind noch nie aufgestanden und haben uns an einem DER TAGE gedacht: „Oh, schon wieder Skifahren…“ Und wenn wir an einem dieser Tage keine Gäste haben, dann könnt ihr euch sicher sein, dass wir irgendwo selber beim Skifahren unterwegs sind, weil irgendwo halt dann genau dieses geile Ding geht, das man nur an drei Tagen die Saison fahren kann. Und dann fallen wir an diesem Abend, nach nur einer Abfahrt, mit diesem fetten Grinsen im Gesicht ins Bett und freuen uns über unsere Berufswahl.
Toni Moßhammer und Guido Unterwurzacher sind staatlich geprüfte Bergführer in der Region Kitzbühel / St. Johann. Während sich Guido einen ziemlichen Namen in der Kletterszene gemacht hat, ist Toni zusammen mit Markus Kogler für die Sicherheit bei den Open Faces Freeride Contests zuständig und war bei einigen Ski-Filmprojekten als Bergführer mit dabei. Die beiden haben 2013 zusammen die Alpinschule Rock ’n Roll in Kirchdorf in Tirol gegründet.
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